sprich zu mir wie der schnee
for piano solo and tape
duration: 7’
premiere: 12/12/2024 in the University Mozarteum in Salzburg, by Eung-Gu Kim
(for score please contact Edition Mozarteum)
sprich zu mir wie der schnee (2024)
für Klavier und Elektronik (Tape)
Für mich hat die Musik von Wolfgang Amadeus Mozart mit ihrem Klingelingeling oft etwas sehr Floskelhaftes und Distanziertes. Und doch gibt es in ihr etwas unnennbar Geheimnisvolles, das mir sehr nah geht. Wie die Schönheit einzelner symmetrischer Schneeflocken in unseren Händen, die bei genauerer Untersuchung ihrer Gesetzmäßigkeit auf unserer warmen Haut schmelzen und unwiederbringlich zerfließen. So scheint es mir, als ob unter dieser etwas starr wirkenden Oberfläche W.A. Mozarts Musik mit ihren meist regelmäßigen Taktperioden, gängigen Kadenzfällen, den schablonenartig wirkenden Menuetten und Tänzen in D-Dur es dennoch etwas existiert, das nicht analysiert werden kann. Es ist gerade dieses Geheimnis der Musik, das ein Werk von W.A. Mozart von dem mittelmäßigen Werk eines Zeitgenossen unterscheidet, obwohl beide Stücke dieselbe Oberfläche, dieselben Taktperioden, dieselbe Tonart, dieselben Kadenzfälle und denselben tänzerischen Duktus aufweisen. Doch unter dieser Oberfläche berührt uns das eine, während das andere es nicht tut.
Das Stück sprich zu mir wie der schnee versucht sich diesem Geheimnis anzunähern, indem es versucht diese starr wirkende Oberfläche durch extreme Regelhaftigkeit und Gesetzmäßigkeit nachzuahmen und dadurch einen Raum der nicht analysierbaren Imagination zu öffnen. So besteht das Stück aus sehr regelmäßigen Takt- und Tonstrukturen: Zwei Takte ergeben zusammen immer 13 Achtel. Jeder Takt besteht innerhalb wiederum aus einem rhythmischen Verhältnis, das in Summe immer die Zahl 13 ergibt (1 zu 12, 2 zu 11, 3 zu 10, 4 zu 9, etc.). Die Tonhöhenstruktur lässt sich auf die durchgängigen Achtel in jedem zweiten Takt nachvollziehen, indem jedem chromatischen Ton zwei Nummern vergeben werden (fis=12, 1 ; g=11, 2 ; gis=10, 3 ; a=9, 4 ; ais=8, 5 ; etc.). Und so weiter und so fort bis hin zur Quersumme des Tempos 67 (6+7=13) für die Achtel.
Für die Zuhörer sind diese Zahlen und Gesetzmäßgkeiten auf dem Papier jedoch vollkommen irrelevant. Genauso wie die regelmäßigen Taktperioden in Mozarts Werken vollkommen irrelevant sind. Sie sind lediglich ein Mittel zum Zweck. So wie bei Schneeflocken - man kann sich an der Schönheit der Eiskristalle erfreuen, ohne die physikalischen Gesetzmäßigkeiten zu kennen.
In der Elektronik (Tape) sind Aufnahmen von Schnee und Wind aus meiner österreichischen Wahlheimat in der Steiermark verarbeitet.
ENGLISH
For me, Wolfgang Amadeus Mozart's music, with its jingle-jingle, often has something very clichéd and distant about it. And yet there is something inexplicably mysterious about it that touches me deeply. Like the beauty of individual symmetrical snowflakes in our hands, which, upon closer inspection of their regularity, melt on our warm skin and irretrievably melt away. It seems to me that beneath this somewhat rigid surface, W.A. Mozart's music, with its mostly regular time signatures, common cadences, and formulaic minuets and dances in D major, there is something that cannot be analyzed. It is precisely this mystery of music that distinguishes a work by W.A. Mozart from the mediocre work of a contemporary, even though both pieces have the same surface, the same time signatures, the same key, the same cadences, and the same dance-like style. But beneath this surface, one touches us while the other does not.
The piece speaks to me like the snow attempts to approach this mystery by trying to imitate this seemingly rigid surface through extreme regularity and lawfulness, thereby opening up a space of unanalyzable imagination. The piece consists of very regular meter and tone structures: two measures always add up to 13 eighth notes. Each measure in turn consists of a rhythmic ratio that always adds up to the number 13 (1 to 12, 2 to 11, 3 to 10, 4 to 9, etc.). The pitch structure can be traced back to the consistent eighth notes in every second bar by assigning two numbers to each chromatic note (F sharp=12, 1; G=11, 2; G sharp=10, 3; A=9, 4; A flat=8, 5; etc.). And so on and so forth, up to the cross sum of the tempo 67 (6+7=13) for the eighth notes.
For the listener, however, these numbers and laws on paper are completely irrelevant. Just as the regular time periods in Mozart's works are completely irrelevant. They are merely a means to an end. Just like snowflakes—you can enjoy the beauty of the ice crystals without knowing the physical laws behind them.
The electronics (tape) feature recordings of snow and wind from my adopted home in Styria, Austria.